Einführung


Die Nationalblume Estlands

ist die Kornblume. Seit Jahrhunderten haben diese himmelblauen
Blüten die Felder der Bauern geschmückt. Wegen der modernen
Landwirtschaft sieht man die Kornblumen heute aber immer seltener.

Der Nationalvogel
ist die Rauchschwalbe. Dieser hübsche Vogel hat schon immer in der
Nähe des Menschen genistet und ihm mit seinem optimistischen Ge-
zwitscher Kraft zur Bewältigung des Alltags gegeben.

Insgesamt zählt man in Estland 65 Arten von Säugetieren, darunter
auch einige Meerestiere. Besonders häufig kommen der Elch, Rotwild,
Schwarzwild, Marder, Biber, Feldhase, Fuchs und der Fischotter vor.
Zudem zählt man in den Wäldern Estlands etwa 150 Wölfe, 550 Bären
und 1000 Luchse, was für die Fläche des Landes bemerkenswert viel
ist. Außerdem sind in Estland 1500 Pflanzenarten, darunter 36 Arten
von Orchideen, registriert worden.


Estland - Reiseziel für Naturtourismus

Nach einer Broschüre der Touristeninformation www.visitestonia.com,
unterstützt von der Europäischen Union und der RAK (Eesti Riiklik Arengukava)
Texte: übersetzt aus dem Estnischen in die deutsche Sprache, A. Tõnisson

Estland - kleiner Staat in Nord-Europa, an der Ostküste der Ostsee.
Unsere Festlandsnachbarn sind Lettland und Russland und in Übersee
Finnland und Schweden. Von der Hauptstadt Tallinn ist jeder Winkel
unseres Landes nach dreistündiger Autofahrt zu erreichen, aber zum
Besuch der Inseln brauchen Sie eine Fähre oder den Flieger. Gäste
erreichen Estland meistens über den Flughafen oder den Hafen von
Tallinn. Landstraßen von internationaler Bedeutung verbinden Estland
mit Riga und St.-Petersburg. In der Hochsaison stehen den Gästen auch
mehrere kleine Häfen und regionale Flughäfen zur Verfügung.

Estland liegt in der gemäßigten Zone, also weist das Klima saisonmäßigen
Charakter auf. Es gibt die vier Jahreszeiten, wobei der Sommer natürlich
immer zu kurz scheint. Das so genannte Kurzärmelwetter herrscht mei-
stens vom Juni bis August, manchmal auch etwas früher oder später.
Schnee zum Skilaufen gibt es vom Januar bis März. Der Traum von weißen
Weihnachten wird in den letzten Jahren immer seltener zur Wahrheit.

Das überwiegende Landschaftsbild in Estland ist flach, obwohl die vielen
Wälder (mehr als die Hälfte der Fläche) oft einen weiten Blick nicht
ermöglichen. Wie auch in anderen Regionen von Nord-Europa sind auch
hier die Landschaften infolge der Eiszeit entstanden. Estland wurde
mehrmals von Gletschereis bedeckt. Die letzte Eiszeit endete vor etwa
11.000 Jahren. Moränenhügel, Sandflächen, kiesige Oser sind die typi-
schen glazialen Landschaftsformen. Das mächtigste Beispiel ist
"Suur Munamägi" (= "der Große Eiberg") im Südosten des Landes mit
seinen 318 m über dem Meeresspiegel; er ist zugleich der höchste Berg
im Baltikum. Mit Gletschereis wurden aus Finnland riesige (bis zu 8 m
hohe) Findlinge gebracht, welche heutzutage an vielen Orten zu bewundern
sind.
Der westliche Teil von Estland lag nach der Eiszeit mehrere Jahrhunderte
lang unter dem Meereswasser. Durch fortschreitende Anhebung der Erdkru-
ste gewinnt das Land immer neue Flächen dazu; am schnellsten (2 - 3 mm
pro Jahr) hebt sich der Boden im Nordwesten. Estland ist überwiegend
flach und es gibt mehr Niederschlag als Verdunstung, so gibt es viele
Seen und Moore.
Eine sehr lange und zergliederte Küstenlinie ist für Estland charakte-
ristisch. Neben den zahlreichen Buchten und Halbinseln sind auch die
rund 1.500 Inseln für Touristen interessant. Meistens handelt es sich
dabei um flache Holme und Sandrücken, nur etwa 10 größere Inseln sind
bewohnt.

Die Ostsee hat eine biologische Eigenart durch ihr Bodenprofil - das
Wasser in der Ostsee ist Brackwasser, d. h. viel süßer als im Durch-
schnitt. Das salzige, schwerere Wasser vom Ozean bleibt in den Becken
auf dem Grund des Meeres stecken. Die Küste ist überwiegend steinig,
an den Buchten gibt es auch Sandstrände und an der Nordküste hohe,
steile (bis zu 55 m) Kliffe.

Die üblichsten natürlichen Biotopformen in Estland sind die Wälder,
besonders die borealen Wälder mit Kiefern und Fichten. Fast die mei-
sten bewirtschafteten Böden sind gerodet worden. Ohne menschlichen
Eingriff würde das Land wieder bewalden. An der Küste und an den Flüs-
sen gibt es natürliche Wiesen und Auen mit wenig Bäumen. Die vielen
Moore, die durch Versumpfung des Mineralbodens und Verlandung der
Seen entstanden sind, bieten weite Ausblicke. Moore nehmen fast ein
Viertel der Fläche Estlands ein. Im Vergleich zu Europa gibt es in
Estland weniger Kulturboden - nur ein Fünftel der Fläche des Landes
wird von der Landwirtschaft und Bergbauindustrie genutzt oder liegt
unter Städten und Straßen. Die Bevölkerungsdichte, durchschnittlich
30 Menschen pro qkm, ist wesentlich geringer als in West-Europa.

Estland wird in drei Regionen eingeteilt: Nord-, Süd- und West-
Estland. Die regionale Natur und Landschaft kann man stichwörtlich
folgendermaßen charakterisieren:

Nord-Estland: Steilküste, Kalksteinplateaus, Wasserfälle und Katarakte,
Karstgebiete, erratische Blöcke, Waldmassive, Ölschiefer in Virumaa.

West-Estland: Inseln und Holme, Küstenlandschaften, weite Röhrichte,
Wacholder, Vogelzug, mehrere Naturschutzgebiete

Süd-Estland: Hügelige Landschaften, tiefe Täler, überschwemmende Flüs-
se, gelblicher Kalkstein, viele kleine Seen, traditionelle Lebensart.


Möglichkeiten zum Naturtourismus

Bewegung in der Natur:
In der Natur von Estland gibt es entweder außergewöhnlich große oder
einmalige Naturmonumente. Trotzdem kann man in den Naturschutzge-
bieten oder bei den Sehenswürdigkeiten unauflösliche Eindrücke erle-
ben; und das vor allem wegen der absoluten Ruhe in der Natur. Gäste,
die aus der Großstadt oder aus dicht bevölkerten Ländern kommen,
werden oft von der Tatsache überrascht, dass sie hier so viel unbe-
wohnten Raum, Stille und Ungestörtheit vorfinden - vor allem in der
Natur. Jedermannsrecht ermöglicht allen den leichten Zugang zur Natur.
Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang dürfen sich alle Menschen über-
all, außer deutlich gekennzeichneten privaten Grundstücken, bewegen.
So zum Beispiel ist der Meeresstrand zum öffentlichen Gebrauch, wie
auch die Uferlinie der größeren Flüsse und Seen.
Selbstverständlich muss man beachten, dass dem Grundstückbesitzer
keinen Schaden verursacht wird. Das Ernten von Beeren, Pilzen, Blumen,
Nüssen, Kräutern und anderen Naturgaben auf Staatsgrundbesitz ist
für alle erlaubt. Auf einem Privatgrundstück braucht man dazu die Er-
laubnis des Eigentümers. Estland ist reich an natürlichen oder natur-
nahen Landschaften.
Neben Wäldern und Mooren sind darunter besonders die Alvare hervor-
zuheben - es sind Wacholderfelder auf dem dünnen kalkigen Mutterboden -,
was sonst in Europa nur in Schweden vorkommt. Interessant sind auch die
Küsten- und Auenwiesen und die artenreichen Gehölzwiesen. Solche halb-
natürlichen Biotope sind oft ein Zuhause für mehrere seltene Tier- und
Pflanzenarten.

Fotografieren:
Fotografieren in der Natur, auch "Fotojagd" genannt, ist in den
letzten Jahren sehr beliebt geworden. Durch die Initiative von Zeit-
schriften und Vereinen werden Fotowettbewerbe durchgeführt und so die
Menschen aufgefordert, mit Kameras in die Natur zu gehen. Neben Land-
schaften und Sonnenuntergängen kommen immer mehr Lebewesen auf die
Fotos. Dafür gibt es gute Möglichkeiten, weil der Wildbestand in Est-
land ausreichend groß und die Wahrscheinlichkeit, ein Foto vom großen
Elch oder einer Rehfamilie zu knipsen, auch für Anfänger groß ist. In
den Wäldern von Estland leben etwa 40.000 Rehe, über 10.000 Wildschwei-
ne und Elche. Ein geschickter Fotograf kann auch Bär, Wolf oder Luchs,
die genauso häufig vorkommen, und im Unterschied zu Westeuropa auch
erlegt werden dürfen, fotografieren. Im Herbst bietet die Farbenpracht
viel Grund zum Fotografieren, die Farbnuancen sind glänzend und die
Stimmungen wechseln schnell.

Angeln:
Mit dem Hobbyangeln ist es in Estland leicht - mit einer Angelrute
kann jedermann frei an den öffentlichen Gewässern angeln. Zu den
öffentlichen Gewässern gehören die meisten größeren Flüsse und Seen.
Zum Angeln mit anderen Geräten braucht man einen Anglerschein.
Tatsächlich gelten gewisse Einschränkungen, was Fangweise, Regionen
und Termine betrifft - so ist es empfehlenswert, Vorbereitungen zu
treffen und sich an den regionalen Umweltdienst zu wenden, um die
Möglichkeiten zu erfahren.
Angeln auf den Binnengewässern, außer auf dem größeren Peipussee und
dem Võrtsjärv, ist keine industrielle Fischerei etabliert. An den
Flüssen und Seen angeln die Leute meistens aus reiner Lust und sport-
licher Herausforderung. Heimische Fische sind Blei, Rotauge, Hecht,
Barsch, Schleie und im Fluss Narva das Flussneunauge. Im Winter ist
Eisangeln an der Küste und an Seen sehr erlebnisvoll. Eingepackte
Männer mit kurzen Angelruten in der Hand sitzen ringsum an den Eis-
löchern.

Beim Angeln gewisser Fischarten gelten folgende Fangmindestgrößen:
  • Fisch..........................................Fangmindestgröße cm
  • __________________________________________________
  • Aal............................................................50
  • Aland.........................................................32
  • Schleie......................................................30
  • Zander.......................................................46
  • Bachforelle.................................................32
  • Hecht........................................................45

Vogelbeobachtung:
In Estland sind 340 Vogelarten, darunter 200 Standvögel, etwa 30 Arten
Durchzügler und 70 selten beobachtete Arten registriert worden. In
Estland brüten fast genauso viele Standvögel wie in den Nachbarländern.
Estland liegt an der nördlichen Grenze des Verbreitungsgebietes von
Weiß- und Schwarzstorch, Brandseeschwalbe und Blauracke. Südlicher
brüten aber keine Bergenten, Seetaucher, Trauerenten und Gryllteiste.
Der Vogelbestand ändert sich ständig - erst seit den letzten Jahrzehn-
ten brüten in Estland Singschwan, Kormoran und Weißwangengans. Die
Kleininseln, wo manchmal auf einem qkm mehr als 13.000 Brutpaare vor-
kommen, zählt man zu den artenreichsten Lebensräumen. Viele kleinere
Inseln bieten ein Zuhause für noch mehr Vögel und werden oft als Vogel-
inseln bezeichnet. Auf dem Festland sind die vogelreichsten Biotope
breitblättrige Laubwälder, Mischwälder, Röhrichte, Nadelwälder, Auen,
Moorwälder und Hochmoore.
Da Estland, besonders der westliche Teil, am Knotenpunkt des ostatlan-
tischen Flugweges der arktischen Zugvögel liegt, durchziehen das Land
jeden Frühling und Herbst viele - laut mancher Angaben etwa 50 Millionen -
See- und Watvögel. Meistens sind es Gänse, Meergänse, Schwäne, Taucher.
Erfahrene Vogelbeobachter können hier in wenigen Tagen bis zu 200 Vogel-
arten registrieren. Für die Beobachtung der Vögel sind in Estland in
den letzten Jahren mehrere Türme für die öffentliche Nutzung errichtet
worden. Die beliebtesten Vogelgebiete sind die Bucht von Matsalu und die
Insel Saaremaa. Insgesamt sind 11 estnische Vogelgebiete in die Liste
der mit Ramsar-Konvention geschützten Feuchtgebiete von internationaler
Bedeutung eingetragen. Abhängig vom Klima des jeweiligen Jahres be-
ginnt der Frühjahrszug meistens mit dem Eisgang und erreicht den Höhe-
punkt im April-Mai. Nach der ruhigen Brutzeit im Sommer beginnt Mitte
August der Herbstzug der Gänse und Kraniche und erreicht seinen Höhe-
punkt Ende September.


Fortbewegungsmöglichkeiten


Zu Fuß:
Wer zu Fuß ist, kann überall hingehen - den besten Kontakt mit Natur bekommt man sicher so. Um einen besseren Zugang zu den interessantesten Orten zu schaffen, sind für Wanderer hunderte markierte Wanderpfade eingerichtet worden. Für die meisten benötigt man 2-3 Stunden, es gibt aber auch 2-3-tägige Marschrouten. Als Markierung werden unterschiedliche Farbstreifen an den Bäumen benutzt. Die längeren Wanderpfade sind meistens mit Lagerfeuerstellen, Toiletten und Müllcontainern ausgerüstet. Ein Teil des international bekannten Küstenpfades E 9 durchquert Estland und ist auch fragmentarisch markiert. Mehrere Wanderpfade, besonders um die Städte, werden im Winter als Skilanglaufpisten benutzt. Zum Moorwandern kennt man in Estland schon seit Jahrhunderten spezielle Flechtschuhe, damit man nicht einsinkt - Anbieter solcher Dienstleistungen werden Sie schon finden!

Mit dem Segelboot:
In Estland gibt es viel weniger Jachten und Segelboote als in Nordeuropa. Segeln am Meer und auf den größeren Seen (Peipussee und der See Võrtsjärv) gewinnen aber immer mehr an Popularität. Besonders viele Segelgäste gibt es in der Bucht von Pirita bei Tallinn. Im Sommer sieht man an fast allen Inseln schöne Boote. Wegen der flachen und steinigen Küstensee kann das Anlegen manchmal kompliziert sein. Es gibt etwa 50 Häfen, die Segelboote empfangen können, die größeren sind dabei auch Fischereihäfen. Die Hälfte der Häfen hat Platz am Kai für fremde Boote und den Gästen stehen Duschen, Internet und Erste Hilfe zur Verfügung.

Mit dem Fahrrad:
Es gibt in Estland ausreichend kleinere Landstraßen, die nicht sehr stark befahren werden - diese Tatsache macht Estland zum Radfahrerparadies. Man braucht nicht zwischen Autos herumzuflitzen, es gibt ausreichend malerische Nebenstraßen. Mehrere Fahrradmarschrouten in Estland gehören zum internationalen Streckennetz "Euro-Velo". Es gibt viele Möglichkeiten, sich ein Fahrrad zu mieten. In der Bahn und auf der Fähre kann man Fahrräder kostenlos mitführen. In den Nahverkehrszügen gibt es dazu spezielle Fahrradabstellanlagen.

Mit dem Auto:
Manchmal bringen uns auch Autos der Natur näher. Im Vergleich zu West-Europa ist der Verkehr in Estland viel geringer. Landstraßen passieren unterschiedliche Landschaften und so hat der Fahrer die Möglichkeit, die Gegend zu beobachten. Anhalten und Parken ist an den Landstraßen meistens erlaubt. Es ist üblich, dass Menschen, die Pilze und Beeren sammeln, ihre Autos an Waldwegen parken, um den Verkehr nicht zu stören.

Mit dem Seekajak:
Die flachen Küstengewässer und die vielen Kleininseln bieten gute Möglichkeiten zum Wasserwandern im Sommer. Eben mit einem Seekajak kann man auf den steinigen Kleininseln gut landen, Transport und Slippen sind praktisch überall möglich.

Mit dem Kanu:
Wandern auf den natürlichen Flüssen, entlang uralter Flussufer ist schon eine gute Alternative gegenüber dem Alltagsstress. Die im Süden etwas wilderen und im Westen eher ruhigeren Flüssen sind mit dem Kanu in 3-4 Tagen passierbar. Die beliebtesten Kanu-Flüsse befinden sich in Soomaa und im Südosten. In Soomaa fließen die großen breiten Flüsse langsam durch die menschenleeren Urwälder. Dagegen gibt es im Südosten Katarakte und tiefe kerbe Flusstäler, viele alte Mühledämme und Sandsteinaufschlüsse. Man kann sich ein Kanu für einige Stunden oder mehrere Tage ausleihen. Die Saison beginnt mit dem Hochwasser im April und endet meistens im September.

Zu Pferd:
Ausritte werden abseits der großen Landstraßen, auf Inseln, in Wäldern und auf Strandwiesen angeboten. Reitwandern in Estland bedeutet mehr ein ruhiges Pilgern als ein wildes Traben. Eine Schlittenfahrt im Winter ist gleichzeitig ein Trip in die Natur und in die Vergangenheit.


Jahreskreis der Natur

Die Veränderungen in den jeweiligen Jahreszeiten bestimmen auch die Möglichkeiten zum Urlaub und den Beschäftigungen in der Natur. In den Monaten um die Wintersonnenwende gibt es nur wenige Stunden Tageslicht. Doch schon im Februar bei guten Schneeverhältnissen gibt es in der Natur viel zu tun. Der Tag ist lang genug, um ausgedehnte Skiwanderungen zu unternehmen. Im Wald lassen sich viele Spuren auf dem Schnee entdecken. Im Urwald heulen die Wölfe und es ruft der Uhu. Auf der See überwintern Scheckenten, Eis- und Meerenten und andere Wasservögel. Über dem eisfreien Wasser sammeln sich Seeadler.

Je näher der Frühling kommt, desto mehr Bewegung sieht man im Wald - im lichten Jungwald spielen im Morgengrauen Birkhuhn und Auerhahn, am Tag trommelt der Hecht auf den toten Bäumen. Beginnt der Vogelzug - eisfreies Wasser wird von den Schwänen und Gänsen aufgesucht - kommen Kraniche an. Der große Vogelzug beginnt im April. Bald schwärmen die Buchten von Entenvögeln und die Küstenwiesen von Meergänsen. Nachdem die Eisdecke im April auf den Flüssen schmilzt, beginnt die Hochwassersaison. Die Wasserfälle im Norden und die Flüsse in den Karstgebieten rauschen dann in voller Schönheit. Um diese Zeit fangen die ersten Frühlingsblumen an zu blühen, etwa einen Monat später bekommen die Laubbäume neue Blätter. Die arktischen Seevögel bleiben in Estland bis Mai. Zuerst verlassen uns Schwäne und Saatgänse, dann die anderen Vogelarten. Mitte Mai starten bei günstigem Wetter alle See- und Eisenten auf einmal und dann kann man Millionen Zugvögel beobachten. Dies sind die Gipfelmomente der Vogelbeobachter. Mit dem Mai endet der Frühjahrszug der Vögel, aber nun beginnt die erhöhte Stimmung in der Pflanzenwelt - die aktivste Blütezeit fällt in die Monate Juni und Juli. Die frühjährliche Stimmung lässt Ende Juni mit hochsommerlicher Hitze langsam nach. Es beginnt die Urlaubszeit. Zu dieser Zeit hat sich das Wasser in den Seen und flachen Buchten zum Baden aufgewärmt. Die Sonne steht hoch, die Tage sind lang und so kann man von früh bis spät draußen sein und vieles unternehmen.

Der farbenfrohe Herbst mit kühleren Temperaturen trifft meistens Ende September ein. In den Wäldern beginnt die Jagdsaison. Beeren und Pilze sind reif zum Sammeln. Nochmals beginnt der Vogelzug, diesmal umgekehrt: Wer aus dem Süden kam, zieht jetzt dorthin zurück. Zuerst verlassen uns Kraniche und Gänse und zuletzt die Schwäne.

Die Tiere in der Wildnis wechseln ihr Fell und suchen nach einem Winterquartier. Man hat noch Zeit zum Wandern in der Natur, besonders für diejenigen, die Sommerhitze und Mücken nicht mögen.


Regeln des Naturtourismus

Für allgemeine touristische Informationen sind in Estland 18 regionalen Touristik-Informations-zentren zuständig. Außer diesen Zentren werden touristische Auskünfte auch in vielen Gemeinden, Infostellen, Museen und Besucherzentralen der Naturschutzgebiete erteilt. Selbstverständlich können auch Hotels, Ferienhöfe, Schulen und Bibliotheken einem Fremden Auskunft über die Örtlichkeiten geben.

Der Großteil der Anbieter für Naturtourismus gehört zur Mitgliedschaft des Estnichen Land- tourismusvereins mit seinen insgesamt etwa 300 Unternehmen. Für etwas spezifischere Tätigkeiten ist der Verein des Ökotourismus Estland mit 12 Mitgliedsunternehmen zuständig. RMK - übersetzt als Management der staatlichen Wälder - beschäftigt sich nebenbei auch mit der Anlage und Verwaltung der Wanderpfade und Waldhütten. Die markierten Wanderpfade in landschaftlich schönen, großen staatlichen Wäldern sind zur öffentlichen Nutzung geschaffen worden. Wer Lust hat, in einem Naturprojekt mitzumachen oder für die Natur etwas zu arbeiten, kann als Freiwilliger in den Einsatzlagern von ELF (Estonian Fund for Nature) teilnehmen.

Beim Vorstellen der Natur wird eine große Arbeit durch die Naturschutzgebiete und Landschaftsschutzgebiete, besonders aber durch die Nationalparks Lahemaa, Soomaa, Karula, Vilsandi und Matsalu geleistet. Im Allgemeinen sind die Naturschutzgebiete zum Schutz der Arten und Lebensräume gegründet, und nicht auf Besucher orientiert. So beschäftigen sich die Naturschutzgebiete nicht unbedingt mit der Unterkunft und der Verpflegung von Gästen, sondern arbeiten mit Anbietern solcher Dienstleistungen zusammen. Touristische Attraktionen aber, seien es Exkursionen, Vortäge oder Ausstellungen, sind in den Besucherzentren der Naturschutzgebiete sehr wohl im Angebot.

Museen, in denen die ortseigene Heimatkunde zusammen mit Sehenswürdigkeiten der Natur vorgestellt wird, gibt es in Estland Hunderte. Meistens handelt es sich dabei um kleine, saisonmäßig arbeitende Einrichtungen. Außerhalb der Städte gibt es mehrere Naturmuseen: Das Museum für Kalkstein in Porkuni, das Museum für den See Võrtsjärv, das Museum von Peipussee in Mustvee u. a.

Auskunft über die Sehenswürdigkeiten erhält man in Estland rund um die Uhr unter der kostenpflichtigen Telefonnummer (17121 + Objektnummer). Bei Anruf hören die Kunden eine kurze, englischsprachige Beschreibung über das gewünschte Naturobjekt. Nummerierte Objekte finden Sie im Wegeatlas und in vielen Broschüren vor.


Naturnahes Leben der Bewohner

Von dem Naturglauben der vorzeitlichen Esten ist nicht viel erhalten geblieben. Jedoch ist das Interesse an den ehemaligen heiligen Orten größer als je zuvor. Rund 400 vermutlich heilige Orte stehen in Estland unter Natur- oder Denkmalschutz, darunter etwa 140 heilige Bäume (Eichen, Kiefern, Linden). Außer Bäumen wurden in den Vorzeiten auch Quellen, Flüsse, Seen, Berge und Steine als heilig gehalten. Der damalige Glaube hat jegliche Beschädigung dieser Objekte streng untersagt. So sind sie zu Sakralbauten der Natur geworden. Einige Bräuche der vorzeitlichen Esten werden bis heute gepflegt. Dabei ist die lebenskräftige Tradition ohne Zweifel das Johannisfeuer zur sommerlichen Sonnenwende.

Traditionelles und naturnahes Leben wird meistens in den Peripherien gepflegt, vor allem auf der Insel Kihnu und in Setumaa. Die vom Festland 12 Kilometer entfernt liegende Insel Kihnu ist unter den Seeinseln in Estland einzigartig. Im Alltag der Inselbewohner, in den Bräuchen und in ihrer Kleidung gibt es so viele Details aus der Vergangenheit, dass die ganze Insel wie ein ethnographisches Museum scheint. Wieso hier und nicht woanders? Es gibt viele Gründe: Die Bevölkerung auf der Insel ist ausreichend groß (früher bis zu 1300 Menschen) und sehr alt. Während der letzten Kriege und der Kollektivierung haben die Inselbewohner zwar gelitten, aber ihr traditionelles Leben wurde weitergeführt und die "Vorteile" der Zivilisation eroberten die Insel mit Verspätung. Mit den Nachteilen der Freiheit muss man auf der Insel heute kämpfen, damit die Eigenart geschützt wird. Dieser Bedarf wird international auf höchstem Niveau unterstützt: Seit 2003 gehört der Kulturraum von Kihnu zum Welterbe der UNESCO. Kihnu ist gerade groß genug, um Fahrrad zu fahren. Man braucht keine Angst zu haben, sich zu verlaufen. Überall gelangt man bald ans Meer. Auf der Insel gibt es vier Dörfer mit insgesamt 600 Insulanern.

Im Südosten des Landes befindet sich das historische Setumaa, ein ethnographisch sehr interessantes Gebiet, welches stark durch estnische und russische Kultur beeinflusst wird. Setus stammen von den Esten, haben aber im Laufe von vielen Jahrhunderten im engen Kotakt zu Russland gelebt. Das Gebiet Setumaa gehörte seit dem 14. Jahrhundert zu Russland. Setus sind Orthodoxe und eindeutige russische Einflüsse erkennt man sowohl in der Sprache als auch in den Bräuchen und ebenfalls in der Baukunst. Zwischen 1920 und 1944 gehörte Petserimaa als Landkreis zur Estnischen Republik. Heute leben die Setus getrennt in zwei selbstständigen Staaten. Setumaa ist landschaftlich sehr schön. Überwiegend wachsen hier die dürren Kieferwälder und erstrecken sich über weite Hügellandschaften. Es gibt viele tiefe Kerbtäler, die meistens in den wichtigsten Fluss in Setumaa, den Piusa, münden. Die offenen Landschaften ermöglichen weite Ausblicke.

Bei vielen Ereignissen, die veranstaltet werden, legt man hohen Wert auf die Naturfreundlichkeit. So werden beispielsweise in Soomaa die Kurse für Herstellung vom "Haabja", dem Boot aus einem Baumstamm, traditionelles Angeln in Viitina und Holztage in Varbola durchgeführt. In den letzten Jahren ist das Festspiel der Naturfilme im Nationalpark Matsalu sehr populär geworden. Um die Verbundenheit unserer Vorahnen mit der Natur zu spüren, besuchen Esten gerne den Geburtsort des beliebten estnischen Schriftstellers Anton Hansen Tammsaare (1878-1940) in Tammsaare in Mittelestland. Vargamäe hat die wichtigsten Leitmotive seines Romans "Wargamäe" inspiriert - das Leben von mehreren Generationen, das Streben nach besserem Leben im Waldbauernhof und den ununterbrochenen Kampf mit Wasser, Steinen und vor allem mit sich selbst.


Nord-Estland

Sehenswürdigkeiten in Nord-Estland

Der Baltische Glint
Das gewaltigste Naturmonument in Estland ist der Baltische Glint - das an der Wasserlinie ragende, hohe Kalksteinplateau der Nordküste. Das steil abfallende Ufer ist 1.200 km lang, beginnt in Schweden bei Aland und endet in Russland am Ladogasee. In der Ostsee und in den Urstromtälern ist der Glint teilweise schwer erkennbar, dagegen gibt es an der Nordküste bei der Insel Pakri und bei Ontika wirklich hohe und steile Küstenabschnitte. Die Steilküste ist für Estland ein nationales Symbol geworden und wurde auf die Liste für einen Eintrag in das Weltkulturerbe der UNESCO gesetzt. Die jähe Küste am Nordufer bezeichnet den Anfang oder das Ende des Landes, je nach Blickrichtung. An der Halbinsel Pakri erreicht das Kliff direkt an der Wasserlinie eine Höhe von bis zu 21 m, in Ontika etwas abseits vom Strand bis zu 56 m. Auf einem etwas vorragendem Kliffteil in Tallinn liegt der Domberg - der Sitz der Regierung und des Parlaments von Estland. Die Gesteine, die im Glint austreten, sind vor 500 Millionen Jahren entstanden. Im oberen Teil liegen Kalkablagerungen, am Fuße des Felsen Schichten von Lehm und Schiefer. Die nordestnischen Flüsse, die zum Finnischen Meerbusen fließen, verlassen den Glint durch steile Kerbtäler, bilden Wasserfälle und setzen den Weg in Katarakten und Stromschnellen fort. Zum Glint an der Nordküste zählt man insgesamt 35 Wasserfälle. Obwohl die meisten von ihnen mit einem Sturz bis zu 5 m Tiefe niedrig sind, gelten sie bei Hochwasser als schönes Schauspiel. Der höchste Wasserfall - 26 m - ist der Valaste Fall. Beliebte Besuchsorte sind auch die wasserreichen Fälle Jägala und Keila bei Tallinn. Der einzige Küstenabschnitt, welcher vom Meer ständig zerrissen wird, liegt auf der Halbinsel Pakri, 50 km westlich von Tallinn. Aus diesem Grund wurde der neue Leuchtturm von Pakri etwas abseits vom Ufer errichtet. Durch fortdauerndes Abbröckeln des Ufers ist der alte Leuchtturm vom Absturz bedroht.

Der Jägala-Fall
An der alten Landstraßenbrücke wird der Strom des sonst ruhigen Jägala-Flusses schneller und das Flussbett breiter. Das Wasserrauschen lässt den Standort des Falles vermuten. Jägala ist mit seinen 8 Metern der höchste natürliche Wasserfall in Estland. Das überwiegend mit Mooren und Wäldern bedeckte Einzugsgebiet des bis zu 100 km langen Flusses gibt dem Fall eine ausreichende Wassermenge auch während der Trockenzeit im Sommer. Das vom Hang abstürzende Wasser hat den unten gelegenden, weichen Sandstein ausgewaschen. Die Fallkante ist vortretend; so können Mutige unter dem Wasserfall herumturnen. Es ist aber nicht zu empfehlen, weil sich die Kante ständig durch jährliche Abstürzungen nach hinten versetzt, durchschnittlich 2-3 cm pro Jahr. Den bisherigen Rückweg beschreibt das mehrere hundert Meter lange Kerbtal, mit rauschenden Katarakten an der Talsohle. Der schnelle Strom wurde früher durch mehrere Mühlen, später in Wasserkraftwerken, flussauf- und abwärts vom Fall, genutzt. Im Tal Jägala verbindet sich landschaftlicher Reiz mit Kulturschichten der Vorzeit und der industriellen Ära.

Das Hochmoor Viru
In Estland gibt es tausende Moore, fast ein Fünftel der Fläche bilden unterschied- liche Feuchtgebiete. Das 150 ha große Hochmoor Viru ist eigentlich eines der kleinsten, aber über einen Knüppeldamm leicht zu erreichen. Die Länge des Lehrpfades beträgt 3,5 km und wer nicht denselben Weg zurücklaufen will, sollte sich mit dem Auto oder Bus abholen lassen. Der Ausgangspunkt des Lehrpfades liegt etwa 1 km rechts von der Landstraße Narva in Richtung Loksa. Der Endpunkt liegt an der alten Landstraße; dort gibt es auch einen Parkplatz. Der Naturpfad ist für Jedermann leicht begehbar. Entwicklungsgeschichtlich handelt es sich hier um einen vor etwa 5.000 Jahren verlandeten See. Man kann mehrere Tümpel besichtigen und das - abgesehen von seiner braunen Farbe - reine Wasser auch trinken. Die braune Färbung rührt aus den Überresten des Humus und pflanzlicher Biomasse her. Der Mineralstoffgehalt im Wasser ist ausgesprochen gering - dies schmeckt man! Die Mooraugen und Tümpel gehören zur Moorlandschaft. Erstere sind die offenen, letztere die durch Pflanzendecke versteckten Stillgewässer. Die Größe der Moorgewässer reicht von einigen Quadratmetern bis zu riesigen 100 qkm. Meistens sind sie bis zu 2 m tief, mit steilen Ufern und schlammigem Grund. In den größeren Mooraugen gibt es manchmal auch kleine Inseln. In der Mitte des Knüppeldammes steht ein Aussichtsturm, der unter Kindern und Fotografen sehr beliebt ist. Das Viru-Hochmoor gehört zum ältesten, im Jahr 1971 gegründeten Nationalpark Lahemaa. Die Zentrale des Nationalparks befindet sich im prächtig restaurierten Gutshof-Ensemble Palmse.

Aegviidu
Kieferwald, eine abwechslungsreiche Landschaft, viele Seen, beerenreiche Moore, gute Radwege und Langlaufpisten sind der Grund für die Popularität von Aegviidu. Angefangen hat es im Jahr 1938, als am See Purgatsi das erste staatliche Ferienhaus, das Touristenheim Nelijärve errichtet wurde. Auf hiesigen Hügeln werden die Tallinner Langlauf- und Fahrradmarathons durchgeführt. Dass das Klima in Aegviidu wirklich gut zum Skilaufen passt, beweist die auf den Höhenzügen des Südostens bis ins Frühjahr liegende Schneedecke. Nördlich von Aegviidu liegt eine abwechslungsreiche Landschaft mit Wäldern und Mooren. Dort gibt es mehrere markierte Wanderpfade. Hier gibt es auch die typischen Oser, subglaziale, wallähnliche Aufschüttungen von Schmelzwassersanden und -kiesen und in den ehemaligen Toteislöchern entstandene tiefe Gruben, Becken und Plateaus. Das Gebiet ist äußerst reich an Seen (35), worunter die meisten nährstoffarmen und hypertrophen Charakters sind. Besuchen sie die 150 Hektar große Erika-Heide von Jussi! Charakterpflanzen auf der Heide sind auch die Bärentraube, der Feldthymian und viele Flechten. Noch vor 100 Jahren gab es hier einen Kieferwald, dann wurde es zu einer Kahlschlagfläche. Die Perle von Nord-Kõrvemaa ist der gewundene See Paukjärv mit seinem hellblauen, klaren Wasser. Vom Berg Paukjärve erstreckt sich ein weiter Blick auf das riesige Moor und den See; ungewöhnliche Kontraste auf der sonst waldbewachsenen und geschlossenen Landschaft von Kõrvemaa. Einen wunderbaren Panoramablick schenkt der Aussichtsturm am Venemäe.

Der Berg Emumägi
Das Dach bzw. der höchste Punkt des Höhenzuges Pandivere und des ganzen nördlichen Estlands ist der Berg Emumägi. Vom Aussichtsturm am Berggipfel erblickt man bei klarem Wetter mehrer Kirchtürme (Simuna, Väike-Maarja, Koeru, Laiuse). Im Unterschied zu anderen Aussichtstürmen inmitten der Wälder, sieht man von hier meist landwirtschaftliche Flächen mit dem Moorgebiet Endla und den Wäldern von Alutaguse im Hintergrund. Die absolute Höhe des Berges Emumägi beträgt 166 m, die relative Höhe 80 m. So überschreitet sie die vom Emumägi und auch die des Berges Suur Munamägi. Entwicklungsgeschichtlich handelt es sich hier um einen Wallberg (Os) auf einer drumlinartigen Erhebung. Mit dem nördlich gelegenen Berg Tammiku bildet der Emumägi eine 12 km lange Erhebung mit vielen steilen Tälern und Gruben. Der westliche, flachere Berghang wird bebaut.

West-Estland

Sehenswürdigkeiten in West-Estland


Der See Kaali


Der von Kuressaare etwa 20 km entfernte und durch einen Meteoriteneinschlag entstandene See Kaali zählt mit den benachbarten kleineren Kratern zu den weltberühmten Sehenswürdigkeiten auf der Ostseeinsel Saaremaa. Insgesamt gibt es auf der Erde rund 200 Einschlagkrater bzw. Kratergruppen; in Estland liegen davon stolze 6! Zugegeben, einige von ihnen liegen tief am Grund des Meeres oder im Erdboden und sind nicht zu erkennen, werden aber großspurig beschrieben. Der Durchschnitt des Hauptkraters beträgt 110 m und seine Tiefe 16 m. Auf dem Grund liegt ein See. Durch die Explosion hat sich dem ausgesprengten Boden ein 3-7 m hoher Wall gebildet und umgibt den Krater. Dabei enthüllen sich Kalksteinschichten, die infolge der Explosion vertikal aufgetürmt wurden. In der Nähe befinden sich noch 8 kleinere und trockene Krater. Über das Alter der Einschlagkrater, welches zwischen 3.000 und 7.000 Jahren liegt, hat man jahrelang diskutiert. Der Schriftsteller und ehemalige Präsident der estnischen Republik, Lennart Meri, hat eine ganz eigene Theorie über den Einfluss des Meteoriteneinschlags in Kaali auf die Entwicklung des Selbstbewusstseins der Inselbewohner und der nördlichen Völker entworfen. Der riesige abstürzende Feuerball und die Explosion könnten schon die Einbildungskräfte der sonst ruhigen Nordländer angeregt haben!


Die Steilküste von Saaremaa

Die 30 Kliffe der Ostseeinsel Saaremaa bilden einen Teil der sogenannten west- estnischen Kalksteinküste, welche auf dem Festland beginnt, entlang der Nordküste von Saaremaa verläuft und sich in Übersee als Kliff auf der schwedischen Inseln Gotland fortsetzt. Die steilen Küstenabschnitte werden von flacheren Stränden abgelöst. So ist die Küstenlinie von Saaremaa stark zerklüftet und besteht aus mehreren unterschiedlichen Abstufungen. Das Kliff von Mustjala ist darunter das höchste: 21 m hoch und 2,5 km lang. Bei Stürmen wird der Felsen von Wellen angegriffen, sonst kann man das Kliff auch am Fuße besichtigen. Vor der Küste im Meer erstreckt sich eine unterseeische Abstufung. Die zweitbekannteste Steilküste, das Kliff Üügu auf der Insel Muhu (Länge: 300 m, Höhe: 7 m), befindet sich etwas abseits vom Meer, jedoch sind die Spuren der Erosion in den Höhlen zu erkennen. Heute sieht das mit Wacholdern bewachsene Kliff wie eine Felsenküste am Mittelmeer aus.


Der Nationalpark Vilsandi

Die Geschichte des Nationalparks reicht bis ins Jahr 1910, als das Gebiet zum Vaika Vogelreservat, als erstes Naturschutzgebiet in Estland gegründet wurde. Initiatoren waren der Leuchtturmwärter Artur Toom und der Rigaer Naturforscherverein. Zum Nationalpark wurde Vilsandi 1993 erklärt. Über 250 Vogelarten sind hier Brutvögel, der häufigste Vogel ist die Eiderente. Gänsesäger, Bergente,, Floridaente und Seemöwe zählen in Vilsandi zu Standvögeln. Es sind fast 520 Pflanzenarten registriert worden, was fast ein Drittel aller Pflanzenarten in Estland ausmacht. Allein auf der Kleininsel Nootamaa wachsen 132 Pflanzenarten. Zum Nationalpark gehören die Insel Vilsandi, die umliegende See mit über 160 kleinen und größeren Inseln, Riffe und ein Landstreifen der Insel Saaremaa. Vom Leuchtturm Vilsandi (erbaut 1809) bietet sich eine faszinierende Aussicht auf die Holme und die hohe See. Die Hauptinsel Vilsandi (9 qkm) besteht aus zwei Teilen, die bei hohem Wasserstand voneinander getrennt sind. Zwischen den Inselteilen liegt das estnische Mittelmeer. Durch fortschreitende Anhebung der Erdkruste wächst die Insel ständig und wird von den weitläufigen Überschwemmungen nicht bedroht. Die Westküste von Vilsandi ist felsig und besteht aus über 400 Millionen Jahre alten Seeriffen. Auf der Insel lebt ganzjährig nur ein Mensch, während der Urlaubszeit sind es allerdings mehrere Einwohner. Verbindungen zum Festland bestehen mit dem Boot oder - bei niedrigem Wasserstand - mit dem Lastkraftwagen.


Das Naturschutzgebiet Viidumäe

Die Insel Saaremaa mit ihrem milden Meeresklima und vielfältigen Böden verfügt über eine sehr artenreiche Vegetation. Rund 80 % aller in Estland vorkommenden Pflanzen- arten wachsen auch auf Saaremaa. Insgesamt sind hier über 900 höhere Pflanzenarten registriert worden. Etwa 120 Pflanzen stehen unter Naturschutz. Die wohl bekannteste Seltenheit ist der endemische Klappertopf (Rhinanthus osiliensis), eine kleine Pflanze, die nur in Saaremaa, sehr zahlreich im Quellmoor Viidumäe vorkommt. Es gibt viele seltene und schöne Orchideen, insgesamt 35 Arten. Von den interessanten Bäumen in Saaremaa ist die immergrüne Eibe hervorzuheben. In unserer Klimazone sind diese Bäume Relikte der früheren, wärmeren Klimaperiode. Viele Eiben gibt es auf den Halbinseln Tagamõisa und Sõrvesäär. Diese sonst mittelgroßen Bäume wachsen hier bis zu 10 m hoch. Unter den botanischen Schutzgebieten ist Viidumäe das wohl bekannteste.
Das Gebiet nimmt den Großteil des Höhenzuges West-Saaremaa, vor allem den westlichen steilen Hang, Gehölzwiesen und Quellmoore ein. Vom hiesigen Aussichtsturm Raunamäe (54 m über dem Meeresspiegel) kann man über die Wälder die Westküste blicken. Die relative Höhe in Viidumäe reicht bis zu 35 m und im sonst flachen Saaremaa ist es einer der wenigen Orte, wo man das Fahrrad tragen muss. In der Schutzgebietszentrale in Audaku ist während des Sommers ein botanisches Museum geöffnet.


Die Ostseeinsel Hiiumaa (Dagö)

Die zweitgrößte Insel Estlands liegt noch weiter in hoher See als Saaremaa. Die Insel liegt 22 km vom Festland entfernt und die Überfahrt dauert fast anderhalb Stunden. Bei schlechtem Wetter kann es noch länger dauern. Auf der Insel leben etwa 12.000 Menschen, die, falls sie "in die Stadt" fahren, dann Tallinn und nicht das Landkreiszentrum Kärdla meinen. Die Strände der Insel sind überwiegend flach und werden nur langsam tiefer. An der Küste gibt es viele Eilande. Vom Aussichtsturm Orjaku in Kassan, wohin ein markierter Wanderweg führt, erstreckt sich ein weiter Ausblick auf die verschilfte, vogelreiche Bucht von Käina. Im Südteil von Kassari verwandelt sich eine Halbinsel zur 1,5 km langen, schmalen Landzunge, die durch launenhafte Wellen ständig neue Formen annimmt. Wer sich den Weg vorgenommen hat, erreicht meistens auch die Spitze - trotz ständigen Windes und der Tatsache, dass es hier nichts außer Steinen gibt. Die westliche Halbinsel Kõpu liegt am ältesten Teil der Insel - der Leuchtturmhügel (68 m) hob sich als Insel etwa vor 10.000 Jahren aus dem Meer. Damals lag das Festland von der Insel rund 80 km entfernt und Kõpu stand Jahrhunderte lang allein in der hohen See. Die unterschiedlichsten Küstenformationen und Dünenlandschaften stellen uns alle Entwicklungsstufen der Ostsee vor. Durch die Hügellandschaft von Kõpu führt der 1,5 km lange markierte Lehrpfad Rebastemäe. Von der Aussichtsplattform des Leuchtturmes genießt man einen weiten Ausblick auf die waldreiche Halbinsel und das Meer.


Das Vogelreich Matsalu

Matsalu ist vor allem als Paradies der Vögel bekannt. Im Mündungsgebiet des Kasari-Flusses und in der flachen und schlammigen Bucht von Matsalu bieten die Heideflächen, Röhrichte, Auen und Inselchen ausgezeichnete Lebensräume für viele Vögel. Gewisse Einschränkungen zum Schutz der Vögel wurden hier schon vor dem Krieg etabliert. Die Gründung des Schutzgebietes erfolgte 1957. Auf dem Gutshof Penijõe befinden sich das Verwaltungsgebäude des Naturparks und ein Museum. Man erhält hier einen ausreichenden Überblick über die Natur des Gebietes, vor allem natürlich über die Vogelwelt. Die Schilfwälder, Küstenwiesen und Eilande in Matsalu sind wichtige Rastplätze der Vögel während des Vogelzuges auf dem Weg in die Tundragebiete am Weißen Meer. Etwa 280 Vogelarten sind hier beobachtet worden. Jährlich durchziehen Matsalu hundertetausend Zugvögel, darunter zahlreiche Schwäne, Gänse, Weißwangengänse und Enten. Das Schutzgebiet hat sich der Forschung und in den letzten Jahren der Erhaltung von Rast- und Nistplätzen der Vögel gewidmet. Immer mehr Weideflächen müssen von Gestrüpp befreit werden. Viehhaltung durch Kühe, Schafe oder auch Pferde wird auf den Heideflächen von der Naturparkverwaltung auf jede Weise unterstützt. Gäste werden in Matsalu vom Herzen erwartet. 5 Wanderpfade mit Längen zwischen 1,6 und 8 km stehen den Vogelfreunden zur Verfügung. Wanderpfade und Beobachtungstürme (insgesamt 6) sind zur öffentlichen und freien Benutzung, nur der Turm Jugasaare ist im Privatbesitz und gebührenpflichtig. An den Türmen Haeska, Penijõe und Suitsu gibt es Picknickanlagen. Nach Voranmeldung werden Bootstouren in den Schilfwäldern und auf der Bucht angeboten.


Luitemaa

Die von Pärnu nach Riga führende Landstraße durchquert bei Häädemeeste die wohl mächtigste Dünenlandschaft von Estland. Die Höhe der Dünen beträgt etwa 20 m vom Fuß und 34 m vom Meeresspiegel. Auf der Spitze befindet sich noch eine 18 m hohe Aus- sichtsplattform. Die Dünenlandschaft an der Rigaer Bucht ist vor 5000-8000 Jahren entstanden. Später ist aus dem Meer auch die westliche Strandwiese gewachsen. Seit Jahrhunderten wurden die sandigen Böden als Weideland und Felder genutzt. Als Stolz des bis zu 10.000 Hektar großen Naturschutzgebietes Luitemaa sind eben die seltenen Weideflächen, von denen 700 ha auch heute noch bewirtschaftet werden. In den letzten Jahren wurde viel für die Erhaltung der Natur geleistet: In die ehemalige Sandgrube wurde ein Laichplatz für die seltene Kreuzkröte, auf den Sanddünen ein Lebensraum für die Zauneidechse angelegt. Anstelle der vorzeitlichen Küstenlinie liegt - zwi- schen zwei Dünenketten - das aus Lagunen entstandene Hochmoor Tolkuse. Im Dorf Rannametsa in der Nähe des Parkplatzes, liegt der im 19. Jh. mit Hand ausgehobene Graben Timmikanal. Hier kann man einen Blick auf den Querschnitt der inneren Schichten von Dünen- und Moorlandschaft werfen.

Süd-Estland

Sehenswürdigkeiten in Süd-Estland


Soomaa

Soomaa (Land der Moore) wird, seitdem die hiesigen Moore und fluss-
reichen Moorwälder 1993 zu einem Nationalpark vereinigt wurden, immer
beliebter. Diese Popularität spiegelt sich in den vielen Kanuwanderungen, welche hier angeboten werden, wider. Der neue Trend hat bewirkt, dass sich an manchen Tagen auf den Flüssen des Nationalparks hunderte Kanus bewegen. Aber es ist ausreichend Platz. Warum gerade Soomaa? Hier können die Gäste die mächtigsten Inlandsüberschwemmungen Estlands miterleben und die Stille und Ruhe der riesigen Urwälder genießen. Mehrere kleinere Flüsse gehören zum Einzugsgebiet des großen Pärnu-Flusses. Aufgrund dieser Tatsache lassen sich ausgezeichnet Kanuwanderungen organisieren. Man hat die Auswahl zwischen 1- bis 2-stündigen bis hin zu 4- bis 5-tägigen Wanderungen. In Soomaa gibt es ein dünnes Wegenetz, außerdem sind die Wege oft schlammig und unbefahrbar. Deshalb werden die Kanus schon seit langem als Transportmittel gebraucht. Es gibt einen Spruch, der besagt, dass es in Soomaa fünf Jahreszeiten gibt: Den Frühling, den Sommer, den Herbst, den Winter und das Hochwasser. Das Wasser kann in den Flüssen bis zu 5 m über dem Normalstand ansteigen. In den flachen Gebieten treten die Flüsse über die Ufer und überfluten weite Wälder. Der Überschwemmungsrekord liegt bei 150 qkm - so groß war die überflutete Fläche von Moor und Wald, die einen Meter unter Wasser lag. Im Besucherzentrum des Nationalparks wird den Gästen ein Filmprogramm über Soomaa vorgeführt. Es gibt eine Sauna, Kinderspielplätze und Übernachtungsmöglichkeiten. Mehrere Wandermarschrouten sind ebenfalls angelegt worden. Ein spezieller Lehrpfad führt zu den Lebensorten und Spuren der Biber.


Karula
Der Nationalpark Karula befindet sich abseits der großen Landstraßen, an der Grenze zwischen den Landkreisen Võru und Valga. Von außen etwas bescheiden, aber trotzdem ein gewisses Sammelbild der Vorzeiten Estlands. Das übliche Touristikgeschäft blüht hier nicht gerade grandios, die Menschen führen ein alltägliches und traditionelles Leben. Eine Aufgabe des Nationalparks ist es, den Menschen Bedingungen zur traditionellen Lebensart, Bauern- und Forstarbeit zu schaffen, so wie es in den vergangenen Jahrhunderten Art und Weise war. Gäste werden in Karula jedoch erwartet. Hier werden Naturwanderungen, die mit vielen ortseigenen Legenden verbunden sind, Bauernkost und volksmedizinische Heilkuren angeboten. Die Besucherzentrale in Ähijärve sieht zwar sehr modern aus, aber die Rauchsauna nebenan erinnert uns an die richtigen Werte in Karula: An die Möglichkeit, in die Vergangenheit einzutauchen und zu träumen.


Rõuge

Rõuge liegt am nordwestlichen Rand des Höhenzuges Haanja. Hier erstreckt sich eine malerische Landschaft mit dem tiefen und bis zu 10 km langen Urstromtal Rõuge. Die ins Grundgebirge eingeschnittene Talsohle ist größtenteils mit glazialen Ablagerungen gefüllt, die relative Tiefe reicht bis zu 65 m. Die sieben Seen von Rõuge sind am Ende der Eiszeit durch das vom Höhenzug geschmolzene Gletschereis unter den Moränenschichten entstanden. Der größte See, der See Suurjärv, ist gleichzeitig auch der tiefste See Estlands (38 m). Auf dem Hügel zwischen dem See Liinjärv und dem Tal Ööbikuoru liegt eine vorzeitliche Siedlungsstätte. Vermutlich im
8. Jahrhundert hatte man hier eine Burg errichtet. Am See Suurjärv befindet sich die Touristikzentrale von Rõuge, wo man sich über alles erkundigen kann. Hier ist der Ausgangspunkt vieler Fuß- und Radwanderungen.


Haanja

Oft werden im flachen Westestland auch die nur einige Meter hohen Erhebungen als Berge bezeichnet. Diesen Vergleich braucht Estlands Südosten nicht zu scheuen! Die Spitze des Höhenzuges Haanja bildet der Suur Munamägi (der Große Eiberg - 318 m über dem Meeresspiegel) und das Panorama von dort müsste alle Esten vor Stolz platzen lassen! Am höchsten Gipfel des Baltikums erblickt man bei klarem Wetter sogar die Türme der 70 km entfernten Stadt Tartu. Der Große Eiberg ist ein beliebter Ausflugsort für Schulklassen. Frisch Vermählte und die nostalgischen Senioren klettern ebenfalls gerne zum Gipfel. Wegen der ständig um den Aussichtsturm wachsenden uralten Fichten wurde der Turm mehrmals höher gebaut. Die Landschaften, die hier zu sehen sind, bewalden immer mehr. Der buchtenreiche See Vaskna, der See Tuulijärv und die Stadt Võru sind gut zu sehen. Am Turm hängt eine Gedenktafel für den ersten estnischen Bergsteiger Alar Sikk. Dem in Võru heimischen Mann gelang es 2003, den Mount Everest zu besteigen. Der Gipfel des Mount Everest ist gar nicht viel höher als der Gipfel vom Großen Eiberg: Nur ca. 30 mal so viel! Also sollte jeder auf den Turm steigen, wenn nicht über die Treppen, dann eben mit dem Lift. Nördlich vom Turm erhebt sich der zweitgrößte Gipfel Vällamägi, mit 304 m Seehöhe und 88 m Absoluthöhe. Hier gibt es zwar keinen Aussichtsturm, aber ein markierter Lehrpfad hilft beim Kennenlernen der Natur.


Taevaskoja

Die Sandsteinaufschlüsse am Fluss Ahja und in dem Urstromtal wurden in den 30iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts nach dem Bau der Eisenbahnlinie entdeckt. Die berühmtesten Felsen sind der 24 m hohe Suur Taevaskoda und der Väike Taevaskoda mit der Jungfrauhöhle und Mutterquelle. Mit diesen Felsen sind viele Geschichten verbunden, in denen viele Figuren mitspielen: Kriegsflüchtlinge, gefesselte Jungfrauen, der Teufel und selbstverständlich auch die unterirdischen Paläste und geheimen Gänge. In den Vorzeiten fanden auf dem Platz von Suur Taevaskoda die Versammlungen und Feste der Ortsbewohner statt. Heute steht das ganze Urstromtal unter Naturschutz. Der einst als beliebter Fangort der Angler gehandelte Saesaare - Katarakt wurde mit der Errichtung des Wasserkraftwerkes 1952 zum malerischen See aufgestaut. Auf dem See fährt das romantische Flussschiff "Lonny". Das kleine Schiff macht kurze Kreuzfahrten etwa einen Kilometer stromaufwärts, wobei man vieles sehen kann.


Der Peipussee

Nach seiner Größe unter den europäischen Seen nimmt der Peipussee den fünften Platz ein und liegt an der Grenze zu Russland. In den See münden mehrere Flüsse, aber nur einer hat hier seinen Anfang: Der Narva-Fluss. Der Peipussee ist riesengroß und hat seine eigene Strömung, eigene Wellen und spezifische Fischarten (Stint, Zwergmaräne, Zander). Die Eisdecke spielt manchmal Streiche: Ab und zu häufen sich am Strand mächtige, haushohe Eisblöcke, die bis zum Sommeranfang endgültig schmelzen. Jährliche Lotterien spielen die Fischer - von den Rettungsaktionen im Treibeis könnte man einen Actionfilm drehen. Die Fischer sind dabei nicht besonders lernbegierig. So wie es den Fisch zum Laichplatz zieht, folgen auch die Fischer blind ihren Instinkten. Die abwechslungsreiche Küstenlinie des Sees ist auf estnischer Seite 175 km lang. Das nördliche Ufer ist bis zum Fluss Rannapungerja schön sandig. Parallel mit dem Strand ziehen sich Dünenketten; die älteren sind mehrere Kilometer vom See entfernt, die jüngeren sind noch in der Bildungsphase. Die Nordküste befindet sich im ständigen Wandel. Wind und Wellen zermürben die Küstenfelsen, versperren die Flussmündungen und schieben den Sand zu hohen Dünen. Am Peipussee kennt man die Erscheinung der "singenden Dünen". Dieses Naturphänomen entsteht bei gewisser Windrichtung und Schwingung der Sandkörner, wobei ein einzigartiges Summen entsteht. Die Ursache liegt in den Sandkörnern. Sie müssen glatter geschliffen sein als bei gewöhnlichem Sand. In Europa kommt der "Singende Sand" außer an den nordestnischen Stränden nur noch in Irland vor. Die Westküste ist überwiegend flach und es gibt nur wenige sandige Abschnitte. Bei Kallaste hat der See ein 11 m hohes Kliff ins Ufer gebrochen. An der Embach-Mündung erstreckt sich ein weites Moorgebiet.


Das Urstromtal Piusa

Der Fluss Piusa ist in mancher Hinsicht interessant. Mit dem größten Höhenunterschied in Estland ähnelt er in manchen Abschnitten einem echten Gebirgsfluss. Dagegen ist der Strom im Unterlauf sehr träge - schlängelnd fließt er Richtung Osten und Bootsfahrer kommen in einer Stunde nur wenige hundert Meter voran. Die Eigenart von Piusa bilden die devonischen Sandsteinaufschlüsse im Uferabschnitt zwischen Vastseliina und Tamme. Die Einheimischen rufen diese Sandsteinfelsen zu Mauern und es gibt insgesamt 12 davon. Die Mauern geben dem Urstromtal eine Geschichte, die bis in die Ewigkeit reicht. Das Alter der gelblich-weißen Felswände beträgt 400 Millionen Jahre bzw. es reicht in die Zeiten, als die Fläche von Estland noch unter dem flachen Küstenmeer lag. In der englischen Sprache bezeichnet man die devonischen, überwiegend rötlichen Ablagerungen mit dem Namen "Old Red". In Piusa weisen die Schichten zusätzlich auch weiße und gelbliche Farbtönungen auf, mehr Ausdruck verleihen die auf dem Felsen wachsenden Flechten. Die mächtigste Aufschlussmauer - Suur Härma - erhöht sich bis zu 43 m senkrecht über dem Fluss. Der Strom hält die Mauer immer frisch, nur der abbröckelnde Sand und die Baumstämme werden vom Wasser weggetragen.